6. DIE LETZTE WEGSTRECKE ZUR UNABHÄNGIGKEIT: 1988-1990

1988 Nach einer Spaltung der UDP gründet Patrick Mufalo Limbo die National-Progressive Partei (National Progressive Party).
Diergaardt und Kerina gründen in Rehoboth die Föderale Konvention von Namibia (FCN) (Federal Convention of Namibia (FCN)).
Louis van der Westhuizen gründet in Keetmanshoop die politische Druckgruppe Aksie Kontra 435 (Aktion gegen 435).
Andrew Kloppers löst die CDU auf und tritt erneut der LP bei. Der Vorsitzende der LP ist Reggie Diergaardt.
Die Namibische Volkspartei (Namibia Volksparty) wird von Willem "Billy" Alfred Abraham Phillips geformt, nachdem dieser die LP mit einigen Anhängern verlassen hatte.
Das Obergericht in Windhoek vertritt die Meinung, dass die Interims-Verfassung AG-8 den Grundrechten der Proklamation R 101 widerspricht. Das Revisions-Gericht in Südafrika lehnt diese Rechtsmeinung ab.
Der erneut aufflammende Konflikt zwischen den südafrikanischen Truppen und UNITA auf der einen Seite und den kubanischen Truppen und der MPLA in Süd-Angola bringt die internen konstitutionellen Entwicklungen in Namibia zum Stillstand. Gleichzeitig laufen neue Verhandlungen über die Implementierung der UNO SR Resolution 435 zwischen Angola, Kuba und Südafrika, mit USA-Vermittlung und der Unterstützung der Sowjetunion, an.
Mosé Tjitendero wird Direktor des UNO-Ausbildungszentrums in Angola.
Die Okorusu-Mine für Flussspat wird von der Okorusu Fluorspar (Pty) Ltd. erneut in Betrieb genommen.
Die Gruppe der Yeyi im Ost-Caprivizipfel richtet einen Antrag an den Führer der Fwe, Richard Muhinda Mamili, ihnen Autonomie zu gewähren. Mamili lehnt dies ab und setzt seinen Onkel George Simasiku als stellvertretenden Gruppenführer über die Yeyi ein. Das führt zu vielen Konflikten in den nächsten Jahren und erst im Jahre 1993 zur Gruppenautonomie der Yeyi.
Südafrikanische Truppen zerstören
die königliche Residenz des Ondonga-Königs, Immanuel Elifas (Kauluma) in Onamungundo (Olukonda), da er ein überzeugter Unterstützer der SWAPO-Partei ist.
16.01. Eine Serie von militärischen Zusammenstößen findet in der Südost-Ecke von Angola statt. Sie werden durch einen gemeinsamen Angriff von MPLA, kubanischen und PLAN-Truppen auf UNITA-Basen herbeigeführt. Die MPLA geführten Truppen sind nicht erfolgreich bei ihrem Angriff auf Mavinga und verlieren dann die Schlacht am Lomba-Fluss. Etwa 6 000 südafrikanische und UNITA-Truppen beginnen den Angriff auf Cuito Cuanavale in Süd-Angola. In den kommenden Monaten finden sie den Widerstand in Cuito Cuanavale zu stark. UNITA bricht alle Kontakte mit den SA-Truppen ab. Im Mai kehren die Südafrikaner auf die namibische Seite der Grenze zurück, in der Hoffnung, dass es keine weiteren MPLA-Angriffe vor dem Ende der Regenzeit geben würde.
28.01. Während des Besuches des westdeutschen Rechts-Politikers Franz-Joseph Strauss in Windhoek übt PLAN einen Bombenanschlag auf die südafrikanische Wehrmachtsbasis Suiderhof aus.
17.02. Eine Bombe explodiert in der First National Bank in Oshakati. Sie tötet 27 und verletzt 70 Menschen, darunter auch die Tochter von ELCIN Bischof Kleophas Dumeni. Beide Seiten (Südafrika und SWAPO) geben sich die Schuld. Es ist bis zum heutigen Tag (September 2003) nicht eindeutig geklärt, wer die Verantwortung trägt. Allerdings wird Leonard Sheehama am 09.07. verhaftet. Er wird beschuldigt, den Anschlag auf die Bank in Oshakati verübt zu haben. Die Gerichtssache ist am Datum der namibischen Unabhängigkeit am 21.03.1990 noch nicht abgeschlossen. Der Fall wird mit dem Beginn der Politik der nationalen Aussöhnung 1990 eingestellt. Nach Sheehamas Verhaftung wird festgestellt, dass er auch für verschiedene Anschläge in Walvisbucht und bei der Okambebe-Schule im Omungwelume-Gebiet im Ovamboland verantwortlich gewesen sein soll. Bei dem Gerichtsverfahren wird bekannt, dass Sheehama durch Folterungen zu Aussagen gezwungen wurde. Besonders hervorgetan bei diesen Verhörpraktiken hat sich der südafrikanische Leutnant Hillhouse. Daraufhin kommt es zu einem Appellverfahren (28.03.1991) gegen das Todesurteil für die Walvisbucht-Bombenanschläge, das erfolgreich ist. Sheehama wird entlassen und kehrt nach Namibia zurück.
März Es kommt zu verschiedenen Angriffen von PLAN-Truppen auf südafrikanische Militärbasen in Okatope, Eenhana, Okongo, Onesi und Okalongo.
07.03. Die Übergangsregierung der nationalen Einheit (TGNU) richtet an das Obergericht in Windhoek einen dringenden Antrag, die Proklamation über die Interims-Verfassung AG-8 von 1980 aufzuheben, da sie im Widerspruch zum Gesetz über die grundsätzlichen Menschenrechte der RSA Proklamation R 101von 1985 stünde. Das Gericht hebt in seinem Urteil das umstrittenen Gesetz AG-8 auf. Die Aktionsfront zum Schutze der Turnhalleprinzipien (AKTUR) opponiert den Gerichtsbeschluss auf das hartnäckigste. Der Disput in der TGNU ist am 1. April 1989 noch nicht gelöst, wenn ein neues Kapitel in der namibischen Geschichte aufgeschlagen wird.
04.05. 50 000 kubanischen, angolanischen und PLAN-Truppen gelingt es, den südafrikanischen Vorstoß auf Cuito Cuanavale zurückzuschlagen, obwohl Südafrika und die UNITA später von einem Sieg sprechen. Den kubanischen Truppen gelingt es mit ihren Alliierten, eine 400 km lange Front parallel zur namibischen Grenze aufzubauen. Die Front wird von Flugzeugen von den Luftbasen Cahama und Xangongo unterstützt. Die Kubaner haben MIG-23-Flugzeuge und sind mit modernsten, sowjetischen Waffen ausgerüstet, mit schwerem Angriffsgerät und neuesten Luft-Radar und Boden-Luft-Raketensystemen. Die Südafrikaner, auf ihrer Seite, bringen frische militärische Kräfte nach Namibia und mobilisieren die Südwestafrika-Gebietsmacht (SWATF). Der kubanischen Luftwaffe gelingt es auch, Techipa in Angola und den Calueque-Damm (Angola) an der namibischen Grenze anzugreifen und so die Wasserzufuhr nach Nord-Namibia und die Stromversorgung von Ruacana zu bedrohen. Kubanische Gefechtsflugzeuge dringen sogar tief in den namibischen Luftraum ein und fliegen im Tiefflug über die gewaltige südafrikanische Luftbasis in Grootfontein. Obwohl die Südafrikaner militärisch gut ausgerüstet sind, beginnen die internationalen Waffensanktionen ihre Wirkung zu zeigen und affektieren die südafrikanische Schlagkraft, besonders was ihre Flugzeuge angeht, von denen zwei in Calueque abgeschossen wurden. Die Südafrikaner verfügen auch nicht über Angriffs-Hubschrauber. Schätzungen berechnen die südafrikanischen Kriegskosten auf wenigsten zwei Milliarden US$ pro Jahr. Der Krieg wird auch immer unpopulärer unter den Soldaten und deren Familien. Die internationalen Sanktionen beeinflussen immer mehr die südafrikanische Wirtschaft. Chester Crocker schätzt, dass das südafrikanische Bruttoinhaltsprodukt von 1987 und 1991 um 17% gefallen ist. Sogar die Natur wendet sich gegen Südafrika. Ein virulenter, oft fataler Malariaerreger wird gegen alle Medikamente resistent und grassiert unter den südafrikanischen Soldaten. Südafrikas Wille, die Apartheid weiterhin zu verteidigen wird immer schwächer, als auch ihre Kontrolle über Namibia. Alle diese Ereignisse zwingen Südafrika an den Verhandlungstisch, um ernsthaft über die Durchführung der UNO SR Resolution 435 zu verhandeln.
Am gleichen Tage verkündet Sam Nujoma in Washington D.C., dass eine SWAPO-Regierung eine Politik der nationalen Aussöhnung, der Neutralität und der Nicht-Einmischung in Namibia befolgen würde.
Mai-August Angola, Kuba und Südafrika treffen zu Verhandlungen in London, Kairo (wobei es am 24./25.06. durch die harte Haltung des südafrikanischen Verteidigungsminister Magnus Malan fast zu einem Zusammenbruch der Verhandlungen kommt), New York (20.07.: Die Parteien einigen sich auf ein Dokument: "Prinzipien für eine friedliche Einigung im südwestlichen Afrika") und Genf (02./05.08.).
Anfang Juni 75 000 Schüler und Studenten boykottieren Lehranstalten im ganzen Lande aus Protest gegen die Repressionen der südafrikanischen Polizei und Wehrmacht. Der Boykott beginnt an der Ponhofi Secondary School im Ovamboland.
20.-21.06. Die Gewerkschaft National-Union der Namibischen Arbeiter (NUNW) organisiert in Unterstützung der namibischen Studenten einen Generalstreik. Mehr als 60 000 Arbeiter folgen dem Streikaufruf.
27.06. Es kommt zu einem schweren Zusammenstoß zwischen PLAN, kubanischen und angolanischen Truppen auf der einen und südafrikanischen Truppen auf der anderen Seite beim Calueque-Staudamm bei Ruacana.
Juni-Juli Die SWAPO-Führung (Sam Nujoma, Hage Geingob and Hidipo Hamutenya und andere) trifft sich mit liberalen namibischen "Weißen" in Stockholm. Der neue UNO Kommissar für Namibia, Bernt Carlsson, ist ebenfalls anwesend.
Südafrika fährt mit seinem Truppenabzug aus Angola fort.
In Bremen findet eine Konferenz "Erziehung zur Befreiung" zwischen verschiedenen SWAPO-Führungskräften und -mitgliedern, u.a. Mosé Penaani Tjitendero, Nahas Angula, Helmut Kangulohi Angula, Nangolo Mbumba, Klaus Dierks und der Universität Bremen (Manfred Hinz) statt.
August Auf dem 11. Jahreskongress der Interessengemeinschaft Deutschsprachiger Südwester (IG) wird die Namibisch-Deutsche Stiftung für kulturelle Zusammenarbeit (NaDS) gegründet (Vorstandsmitglieder: Volker Gretschel, Gerhard Tötemeyer, Imke Weitzel und Marianne Zappen-Thomson).
01.07. Die multimodale Nationale Transport-Korporation (später TransNamib) wird gebildet.
02./05.08. Die Verhandlungen in Genf zwischen Angola, Kuba und Südafrika führen zum Protokoll von Genf, das den Weg zu einem zweiseitigen Vertrag zwischen Angola und Kuba über einen Abzug der kubanischen Truppen aus Angola bahnt. Der 01.11.1988 wird als Anfangsdatum für die Durchführung der UNO SR Resolution 435 festgelegt (02.08.: Die Südafrikaner verschleppen wiederum die Verhandlungen durch neue Forderungen, z.B., dass Angola seine Unterstützung des südafrikanischen ANC einstellen sollte). Hauptvermittler ist Chester Crocker.
Da SWAPO nicht an den Verhandlungen zum "Protokoll von Genf" teilgenommen hat, wird festgelegt, dass "Angola und Cuba sollen ihren Einfluss gebrauchen, so dass nach dem totalen Abzug der südafrikanischen Truppen aus Angola und nach der Beendigung der Kriegshandlungen in Namibia, die SWAPO-Truppen sich nördlich des 16. Breitengrades neu gruppieren sollten."
08.08. Südafrika verpflichtet sich freiwillig zu einer de facto-Einstellung aller Kriegshandlungen.
10.08. In dem UNO-Bericht S/20109 wird dem UNO-Generalsekretär der Text der gemeinsamen Übereinkunft von Genf (Note vom 08.08.) übermittelt.
12.08. Der Waffenstillstand wird auch von der SWAPO ( UNO-Bericht S/20129) angenommen.
30.08. Südafrika schließt seinen Truppenabzug aus Angola ab.
24.08./-13.12. Fünf Verhandlungsrunden werden zwischen Angola, Kuba und Südafrika unter Vorsitz der USA und mit Beobachtung der Sowjetunion in Brazzaville gehalten.
September Der UNO-Generalsekretär Péres de Cuéllar besucht Südafrika und Angola, um die Durchführung der UNO SR Resolution 435 zu besprechen (die Südafrikaner versuchen durch eine neue Forderung, vor Beginn der UNO SR Resolution 435 eine All-Parteien-Konferenz in Namibia abzuhalten, den Friedensprozess weiter zu verzögern).
20.09. In dem UNO-Bericht S/20208 stellt der Präsident des UNO Sicherheitsrates fest, dass die Mehrheit der Sicherheitsratmitglieder Resolution 435 unterstützten.
29.09. Das Gipfeltreffen zwischen dem US-Präsidenten Ronald Reagan und dem General-Sekretär der kommunistischen Partei der Sowjetunion Michael Sergejewitsch Gorbatschow, führt zu einer Übereinkunft, die Situation in Namibia und Angola endgültig zu bereinigen.
Oktober Verschiedene afrikanische Staatsoberhäupter treffen sich in Franceville (Gabon) und in Gbadolite (Zaire), um den Friedensprozess in Namibia zu besprechen.
09./11.10. Eine Beratungsrunde zwischen progressiven Namibiern (u.a. Immanuel Ngatjizeko, Anton Lubowski, Frieder Rohn, Gerd Hanekom, Klaus Dierks, Bernd Riehmer, Peter Borsutzky, Hans Röhr, Christo Lombard u.a.) und der SWAPO findet in Kabwe/Zambia statt. Prominente Exilpolitiker der SWAPO, die an der Konferenz teilnehmen, sind u.a. Sam Shafiishuna Nujoma, Hage Gottfried Geingob, Theo-Ben Gurirab und Hidipo Hamutenya. Der Vorsitzende von NPP-435, Bryan O'Linn, nimmt nicht Teil, da SWAPO seiner Einladung von CDA-Vorsitzendem, Peter Kalangula, nicht zustimmt.
16.11. Der SA Außenminister, Pik Botha, und der Vorsitzende des SA National Intelligent Service, Neil Barnard, argumentieren die Notwendigkeit, schnellstens die Namibia-Frage zu lösen, welche die ganze Region destabilisiere und ernsthaft die Hauptfragen, denen Südafrika in Kürze gegenüberstehe, in Gefahr stelle. Zehn Jahre später spricht Botha über den entscheidenden Effekt, den der namibische Friedenprozess und Namibias Unabhängigkeit auf die Abschaffung der Apartheid in Südafrika gehabt habe.
03.12. Der neue Kai5khaun-Gruppenführer aus Hoachanas, Petrus Simon Moses Kooper, wird eingeschworen.

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Der Kai5khaun (Rote Nation) Gruppenführer von Hoachanas, Petrus Simon Moses Kooper, Sohn von Pastor Markus Kooper: Hardap-Region: April 2003
Copyright of Photo: Dr. Klaus Dierks

04.12. Der "Mukorob", der Finger Gottes in der Nähe von Tses, stürzt während eines schweren Gewittersturmes zusammen. Es gibt keine Augenzeugen des Vorfalles.

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Der Mukorob (Finger Gottes) bei Asab, der am 04.12.1988 zusammenstürzte. Eine alte Nama-Sage erzählt, dass die Herrschaft des "weißen" Mannes zu Ende gehen wird, wenn dieser Felsen stürzt
Copyright: Dr. Klaus Dierks (Photo wenige Tage vor dem Kollaps aufgenommen)   

13.12. Südafrika, Angola und Kuba unterzeichnen das Protokoll von Brazzaville. Es schlägt dem UNO-Generalsekretär vor, den 01.04.1989 als Datum für den Beginn des Friedensprozesses nach der UNO SR Resolution 435 festzusetzen. Das Protokoll schafft auch die Voraussetzung für die Bildung einer Gemeinschaftlichen Kommission zwischen den drei Ländern.
14.12. In dem UNO-Bericht S/20325 übermittelt der Geschäftsträger der US-Botschaft bei den Vereinten Nation dem UNO Generalsekretär den Text des Protokolls von Brazzaville.
20.12. Der UNO Sicherheitsrat bildet die United Nations Angolan Verification Mission (UNAVEM) (UNO SR Resolution 626).
21.12. Der UNO Kommissar für Namibia, Bernt Carlsson, kommt bei dem Flugzeugabsturz der Pan Am in Lockerbie in Schottland um, während er sich auf dem Wege zur Unterzeichnungszeremonie in New York befindet.
22.12. Südafrika, Angola und Kuba unterzeichnen beim UNO-Hauptquartier den Vertrag von New York (Drei-Parteien-Übereinkunft), der den früheren Vertrag von Genf ratifiziert. Angola und Kuba unterzeichnen auch einen bilateralen Vertrag über den Abzug der kubanischen Truppen aus Angola, der den Weg für die Implementierung der UNO SR Resolution 435 am 01.04.1989 bahnt. Die Vertragsparteien kommen auch überein, dass die Gemeinschaftliche Kommission zwischen Angola, Kuba und Südafrika die Vertragseinhaltung gewährleisten solle. Die USA und die Sowjetunion besitzen Beobachterstatus.
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[Inhaltsverzeichnis]

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