5. DIE KOLONIALE ZEIT: DIE SÜDAFRIKANISCHE HERRSCHAFT

5.3 SÜDWESTAFRIKA WIRD TREUHANDGEBIET DER UNO: 1946-1956

1946 Die Vereinten Nationen schlagen gegenüber den Mandatsgebieten des Völkerbundes eine neue Politik ein. Während der Völkerbund versuchte, die Kolonialverwaltungen der Mandatsgebiete zu verbessern, den Kolonialismus selbst aber grundsätzlich nicht in Frage stellte, versucht die UNO jetzt einen anti-kolonialistischen Kurs einzuschlagen. Der Völkerbund unterstützte die internationale Verantwortung der jeweiligen Kolonialmächte. Die UNO geht jetzt einen Schritt weiter und fordert eine Rechenschaftspflicht dieser Mächte. Das schließt die Union von Südafrika mit ein.
Die ersten konkreten Schritte werden von der südafrikanischen Regierung unternommen, um Südwestafrika in die Union von Südafrika einzugliedern.
Nach 1945 werden die Hauptlinien des "Deutsch-Südafrikanischen Unions-Gegensatzes" in der "weißen" Politik mehr durch ideologische und nicht mehr so sehr durch Sprachgegensätze bestimmt.
Die Volkszählung ergibt für dieses Jahr: "Schwarze" und "Farbige": 269 569, "Weiße": 38 020 Bewohner.
Südafrika legt der UNO einen Bericht über die Verwaltung von SWA vor.
Simon "Mzee" Kaukungua tritt der SWA Eisenbahn-Polizei bei.
Andrew Kloppers wandert aus dem südafrikanischen Kap in Namibia ein. Er war bereits am Kap in der Farbigen-Eltern-Lehrer-Vereinigung (KOOV)(Kleurling Ouer-Onderwyser Vereniging (KOOV)) aktiv. Er arbeitet in der Farbigenpolitik mit den Herren E.L. Cloete und Olivier von der Baster-Gemeinschaft zusammen.
Es gibt Streiks der Ovambo-Kontraktarbeiter in den Diamantenbergwerken von Lüderitzbucht und Bogenfels.
Deutsch wird als Unterrichtssprache abgeschafft.
12.01.


Einige Witbooi-Nama der Rheinischen Missionsgesellschaft treffen sich in Keetmanshoop und nehmen eine Resolution an, die die rassistischen Tendenzen in der Rheinischen Kirche anprangert. Unter den Nama befinden sich Petrus Jod, der seit 1905 ein Zögling des Rheinischen Missionars Spellmeyer war und Pastor Markus Witbooi, Vater von Hendrik Witbooi. Die Keetmanshooper Resolution führt im gleichen Jahr (April) zur Bildung der ersten großen Kirche in Namibia, die ausschließlich von Einheimischen geführt wird (Afrikanische Methodisten Episkopale Kirche (AMEC)).

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Gräber der Witbooi-Dynastie auf dem Gibeon-Friedhof: Grabstein für Markus Witbooi
Copyright of Photo: Dr. Klaus Dierks

17.01. Der britische Delegationsführer bei den Vereinten Nationen, Bevin, stellt seine Völkerbundsmandate unter die Treuhandverwaltung der Vereinten Nationen.
März Die kriegsbedingte Brandstoffrationierung sowie die Postzensur werden aufgehoben.
April Südafrika unternimmt in SWA eine Volksbefragung  für oder gegen die Eingliederung in die Union. Namibier werden gefragt, ob sie von den Chinesen, den Russen oder den Briten regiert werden wollen. Die meisten Bewohner verstehen nicht die politischen Folgen der Volksabstimmung und stimmen mehrheitlich für eine Eingliederung, besonders im Ovamboland, dem Kavango und in anderen Gebieten. 208 850 stimmen zugunsten einer Eingliederung, 33 520 dagegen und 56 700 nehmen nicht an dem Referendum teil. Gruppen, die gegen eine Eingliederung stimmen, sind Nama, Ovaherero und Dama. Es sind die Gemeinschaften, die am meisten unter der deutschen Kolonialherrschaft gelitten haben. Die UNO Vollversammlung lässt sich von dem "Referendum" nicht irreführen.
Opposition gegen eine Eingliederung kommt aus verschiedenen Ecken. Hosea Kutako (zusammen mit Nikanor Hoveka) versucht, eine Petition an die Vereinten Nationen zu schicken. Kutako möchte SWA lieber als britisches Treuhandgebiet verwaltet sehen. Die SA Behörden verweigern Kutako einen Pass. Deshalb wendet sich Kutako an Frederick Maharero im Bechuanaland um Hilfe. Maharero wiederum nimmt Fühlung mit Thekedi Khama aus dem Bechuanaland auf. Es ist der Vermittlung von Khama zu danken, dass der anglikanische Priester Michael Scott die Möglichkeit bekommt, als Bittsteller für Namibia bei den Vereinten Nationen vorstellig zu werden, um eine Eingliederung in die Union von Südafrika anzufechten. Michael Scot wird dafür später von den Südafrikanern verfolgt und von der anglikanischen Kirche und anderen Kirchenkreisen kritisiert. Es ist jedoch Kutako, der diese erste Petition initiiert, die von Festus Kandjou unterschrieben wird. Die Petition wird am Ovaherero-Schicksalsdatum, dem 26.08.1946, abgeschickt (Am gleichen Tage, zwanzig Jahre später, am 26.08.1966, beginnt SWAPO den bewaffneten Kampf gegen die südafrikanische Kolonialmacht).
Andere Petitionen, die gegen die südafrikanische Administration in SWA gerichtet sind, werden von David Witbooi und, nach seinem Tode im Jahre 1955, von Hendrik Samuel Witbooi verfasst.
Namamitglieder der Rheinischen Mission verlassen wegen der Apartheids-Haltung vieler deutscher Missionare die Rheinische Kirche. Sie schließen sich stattdessen der Afrikanischen Methodisten Episkopalen Kirche (AMEC)(African Methodist Episcopal Church (AMEC)), einer "schwarzen" Kirche aus den USA, an. Diese Kirche findet in steigendem Maße Verbreitung im südlichen Afrika. Der Beitritt wird von weitreichenden politischen Forderungen in Hinblick auf Freiheit und Gleichheit begleitet. Petrus Jod sieht in der Gründung der neuen Kirche ein Instrument, um die Interessen der unterdrückten Namibier zu fördern. Der Nachfolger des Rheinischen Missionars Spellmeyer in Gibeon, Fritz Mayer, dagegen beschreibt die Gründung der AMEC als "kommunistische Propaganda".
Theo Sundermeier von der Rheinischen Missionarsgesellschaft berichtet später über die Veränderungen in der deutschen Missions-Landschaft im Lichte neuer Entwicklungen im Lutherischen Weltbund (LWF) und dem Welt-Kirchenrat (WCC). Diese neuen Entwicklungen sollen zu unabhängigen "schwarzen" Kirchen führen, die in ihrer eigenen afrikanischen Kultur leben und frei sein wollen von südafrikanischer Apartheid und dem Paternalismus der Mission.
Die O.M.E.G.- Tsumeb Mine wird von dem Vermögensverwalter für Feindeigentum zum Verkauf angeboten.
18.04. Der Völkerbund löst sich auf.
07.05. Die Regierung Südafrikas legt der UNO eine Petition vor, Südwestafrika in die Union von Südafrika eingliedern zu dürfen.
23.10. Die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) (South African Communist Party (SACP)) fordert die volle Einbeziehung von "Schwarzen" in die politischen Aktivitäten in Südwestafrika. Die SACP fordert weiterhin, dass SWA unter die Treuhandschaft der UNO gestellt werden solle, um dem Gebiet die Unabhängigkeit zu geben.
November Die Afrikanische Förderungsgesellschaft (AIS) (African Improvement Society (AIS)) wird als eine Art "Sekretariat" für den Herero Chiefs’ Council von Studenten und Lehrern wie z. B. Clemence Kapuuo gegründet. Die Gesellschaft hat kulturelle und erzieherische Funktionen. Sie beginnt bald mit dem halboffiziellen Bantu Wohltätigkeits Klub (Bantu Welfare Club), der Anfang 1930 gegründet worden war (Vorstandsmitglieder waren 1937: A.E. Mogale, A.S. Mungunda, A.S. Shipena) auf der Alten Werft in Windhoek zu konkurrieren. Prominente Mitglieder des AIS sind Bartholomeus Gerhardt Karuaera (Präsident), Berthold Himumuine (Sekretär), Clemence Kapuuo und David Meroro. Himumuine ist der erste namibische "Schwarze", der das Matrik erwirbt.
Der AIS erwirbt ein kleines Haus auf der Windhoeker Alten Werft und errichtet dort als Treffpunkt ein Café. Der erste Verwalter ist Ananius Munoko. Sein Nachfolger ist David Meroro.
In den Ovaherero-Gemeinden der Rheinische Missionsgesellschaft gibt es starke Ablösungserscheinungen von der Mission, die in den 50iger Jahren zur Gründung der Oruuano-Kirche führen.
Die Spitzkoppe bei Usakos wird zum ersten Mal durch Hans Wongtschowski und Jan de Villiers Graaff bestiegen.
14.12. Südafrikas Petition an die UNO, SWA in die Union von Südafrika einzugliedern, wird von der UNO Vollversammlung abgelehnt, auf Vorschlag des indischen Delegierten, Maharaj Singh. Daraufhin stellen Völkerrechtler die Frage, ob die UNO der verbindliche Rechtsnachfolger des Völkerbundes sei. Diese Auffassung führt zu einem jahrzehntelangen internationalen Rechtsstreit über die Position der UNO in der Mandatsfrage.

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Hosea Kutako
Namibia State Archive

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